Dankmesse im Sopron

Dankmesse im SDR-Mutterhaus: Sopron, 1. Mai 2015

I. In Christus, liebe Brüder und Schwestern! Vor 150 Jahren, im Mai 1865 besuchte Mutter Elisabeth Eppinger in Sopron unsere Schwestern. Ein Jahr später, am 11. April 1866 genehmigte der Heilige Stuhl die Ordensstiftung unter dem Namen „Schwestern vom Heiligsten Erlöser“. Und jetzt, im Jahr des geweihten Lebens kommen die lieben Schwestern hierher, ins Mutterhaus, um für ihre Berufung Dank zu sagen, gerade hier, wo die Ordensleitung einst ihren Sitz hatte. Die heutige heilige Messe zum Fest des Göttlichen Erlösers wird mit dem für „das Fest des Göttlichen Erlösers“ genehmigten Textteilen zelebriert.II. a) In Pest zelebrierte ich früher einmal eine heilige Messe und sprach über die Erlösung. Nach der Messe kam ein Student zu mir – er war als Kind mein Ministrant – und fragte: Pater, wovon müssen wir denn erlöst werden?

In der Heiligen Schrift, in der Genesis steht Folgendes bei der Beschreibung der Schöpfung: „Gott sah, dass alles sehr gut ist, was er geschaffen hat“ (1,31). Dies war dem Anfang der Geschichte vorangegangen, in der sich die menschliche Handlung als nicht so gut wie Gottes Schöpfung erwies. Und gerade diese Doppeltheit: irgendeine Kenntnis des Guten erstens, und zugleich die Anwesenheit der Sünde zweitens, was im Menschen den Wunsch nach der Erlösung weckte.

   Die ganze Weltgeschichte, vom Altertum bis zu unseren Tagen ist mit diesem Drama beschäftigt, und sucht nach einer Antwort auf die Frage, warum ist es so, dass der Mensch stets das Gute vor sich sieht, jedoch das Böse tut? Wie kommt das, dass die Welt die Guten nicht aufnimmt, sondern stets danach strebt, sie zu vernichten?

   Denken wir an das Seufzen von G. Bernhard Shaw am Ende seiner „Heiligen Johanna“: „„O Gott, der du diese wundervolle Erde geschaffen hast -: wie lange soll es denn noch dauern, bis sie bereit ist, deine Heiligen zu empfangen, wie lange, o Gott, wie lange?“

   Solschenyzin, schreibt, dass die menschlichen Herzen eine innere Zerrissenheit durchtrennt. Der Heilige Paulus beschreibt mit dramatischem Nachdruck im Römerbrief die tragische Lage des nicht erlösten Menschen: «Dennoch handle ich nach einem anderen Gesetz, das in mir wohnt. Dieses Gesetz kämpft gegen das, was ich innerlich als richtig erkannt habe, und macht mich zu seinem Gefangenen. Es ist das Gesetz der Sünde, das mein Handeln bestimmt. Ich unglückseliger Mensch! Wer wird mich jemals aus dieser Gefangenschaft befreien?» (7,23-24).

   Neben der Erfahrung mit der Sünde stehen gleich die Erfahrungen mit dem als sinnlos erlebten Leiden und dem Tod.

   A. J. Festugière O. P. fasst so das religiöse Ideal der Griechen zusammen: «Gnothi seauton – Mensch, erkenne dich selbst! Dein Schicksal ist der Tod, du bist also naich von der Art der Götter. (…) Du musst dich damit genügen, was an deinem menschlichen Maße zu messen ist. (…) Nimm dein sterbliches Schicksal an; darin kommt der Wille der Götter zum Vorschein. (…) Die echte Weisheit besteht in der sich mit der Willkür des Schicksals abfindenden Resignation.» (Békés, G: „Krisztusi örömhír és evangéliumi boldogság” Sz. I. T. 1983. S. 136)

   Auch heute protestieren doch alle dagegen!

   Albert Camus, für den das Leben sinnlos zu sein schien, schrieb trotzdem: «Hat also nichts einen Sinn? Ich habe nie daran gedacht, dass man bei diesem Standpunkt bleiben kann.» (Szabó, F: „Mai írók és gondolkodók” Louvain, 1965. S. 20)

   Darin kommt die ewige Erfahrung der Menschheit zum Ausdruck: die Sehnsucht nach dem ewigen Leben und der Unsterblichkeit ist im Inneren des Menschen unauslöschbar eingeprägt, zugleich muss er immer wieder erfahren, dass sie für ihn unerreichbar sind.

   Die Menschen suchten auf diese Fragen schon immer Antworten, die für sie nicht zufriedenstellend waren. Erst die Offenbarung brachte die Lösung, und von da an sucht nicht mehr der Mensch Gott, sondern Gott geht auf den Menschen zu, was bereits im Alten Testament angefangen hat.

   Im Buch von Hiob schon – wie wir es gehört haben – nennt er Gott „den Fürsprecher (hebräisch: goel) meines Anliegens”, wobei die Grundbedeutung dieses Wortes heißt: Beschützer. Im Alten Testament wird Gott oft als Goel von Israel genannt, er schützt ihn vor seinen Feinden, befreit ihn von seinen Unterdrückern. Es ist also wie selbstverständlich, dass Hiobs Worte ins alte Syrische und Lateinische so übersetzt wurden: „Es lebt mein Erlöser“. Und Hiob vertraut nun darauf, dass Gott ihn auch nach seinem Tod beschützen wird, und lässt sämtliche Schranken bisheriger Vorstellungen fallen, indem er es für möglich hält, sogar erhofft, dass Gott ihn nach seinem Tod aus der Unterwelt zurückruft und wieder in seine Rechte versetzt.

   Die mögliche Rückkehr aus der Unterwelt – als außerordentlicher Fakt von Gottes Macht – kommt auch in anderen Schriften des Alten Testaments vor.

   Bereits hier erscheint die Morgenröte der Offenbarung über die Erweckung der Toten (2Mak 7,9), die ihr volles Licht erst im Neuen Testament ausbreiten wird.

   b) Die Erlösung bedeutet daher, dass der Mensch von der Sünde, vom sinnlosen Tod befreit und zugleich zum Gerechten wird, wie auch das ewige Leben erlangt. Unser Herr Jesus hat uns das gebracht, der „für alle“ gestorben und auferstanden ist.

   Nach den Worten des Heiligen Paulus ist „Jesus die Gerechtigkeit und die Heiligkeit“ (I. Kor 1,30). Darin äußern sich die beiden Wesensarten der Erlösung, die untrennbar sind: ihre heilende und ihre vergötternde Art. Der Heilige Paulus formulierte es ebenfalls auf diese Weise im Brief an die Kolosser: «Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes» (Kol 1,13).

   Christus hat uns von der Sünde befreit – und gab uns durch den Glauben und die Taufe das ewige Leben. Wie es im Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) steht:

    «Christus ist der Erstgeborene der Toten» (Kol 1,18), somit der Anfang unserer Auferstehung, aber zuerst werden unsere Seelen erweckt, dann auch unsere Körper lebendig gemacht» (P. 658)

   Herr Jesus Christus betete in seinem Hohepriesterlichen Gebet (im heutigen Evangelium) gerade dafür, „damit sie alle eins seien! Gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast. (Joh 17,21-22)

   Und im Römerbrief (zweite Lesung) legt der Heilige Paulus dar, dass „die kommende Herrlichkeit“ (V. 18) in Christus bereits existiert, und sie ist – zwar sonderbar und keimartig -, auch in uns schon vorhanden. Die Leiden des gegenwärtigen Lebens sind an dem nicht zu messen, was in uns zum Vorschein kommt. Ja, es wird zum Vorschein gebracht und offenbart, – obwohl es in uns jetzt schon gegenwärtig ist, und wir können uns über dessen wunderbaren Reichtum gar keine Vorstellungen machen.

   Er unterstreicht besonders, dass die ganze von Gott erschaffene materielle Welt dem Sklavenzustand der Vergänglichkeit unterworfen ist, aber der Mensch nutzt die Schöpfung wegen seiner Sünden nicht richtig, denn er verherrlicht damit Gott nicht. Der Heilige Paulus betont, dass die ganze Schöpfung an der Verherrlichung des menschlichen Körpers, dem auferstandenen Christus, Anteil haben wird.

   c) Das Werk der Erlösung setzt sich in der Kirche fort. Dabei wird jedem eine besondere Rolle zuteil, jeweils eine andere. Und die Kraft des auferstandenen Christus ist in jeder Sendung in der Kirche vorhanden. Gott teilte in der Kirche die Zeichen des auferstandenen Christus aus. So ein ZEICHEN ist die christliche Ehe, ein anderes die geweihte Priesterschaft, wiederum ein anderes ZEICHEN das Martyrium, und so ein Zeichen ist die dem Land Gottes und Christus zuliebe gelobte Keuschheit.

   Die Keuschheit wird im Alten Testament nur als Strafe oder Unglück erwähnt. Dies hatte einen doppelten Grund: einerseits die Erwartung eines Messias aus dieser Welt, andererseits das Fehlen des Glaubens an die Auferstehung.

   Seitdem Christus auferstanden ist, wissen wir, dass das Land Gottes schon hier seinen Anfang hat, aber es erlangt hier seine Vollständigkeit nicht, was gerade möglich macht, Christus und dem Land Gottes zuliebe und als Berufung auf die Ehe zu verzichten.

   Das Land Gottes breitet sich nicht durch die irdische Abstammung aus, wie es im Alten Testament steht, sondern durch die Verkündigung des Evangeliums und die Taufe.

   Und die dem Land Gottes zuliebe gelobte Keuschheit ist auch heute ein AusrufeZEICHEN. Ein Zeichen dafür, dass es eine Auferstehung und ein ewiges Leben gibt, und dass die Personen des geweihten Lebens bereits hier das Leben vorwegnehmen, von dem der Herr Jesus Christus sprach: „Die (…) werden dann nicht mehr heiraten.” (Luk 20,35).”

   Der zur Heiligkeit gelangte Athenagoras, der Patriarch von Konstantinopel, sagte, dass die Ordensnovizen „Lehrlinge der Auferstehung” sind. Und die Person, die voll und ganz Jesus Christus sein Leben schenkt, die ist und bleibt ein ZEICHEN, unabhängig davon, ob sie Kranke pflegt, unterrichtet, predigt –, und die äußeren Aktivitäten können bei ihr auch gänzlich fehlen, wie etwa in den kontemplativen Orden; allerdings hat die Kirche, aber auch die Welt in der heutigen Zeit solche Zeichen besonders nötig.

   Der Heilige Papst Johannes Paul II sagte in Spanien zu den Karmelitenschwestern: die Fenster eurer Häuser sind der Welt gegenüber geschlossen, umso mehr offen Gott gegenüber. Und solche Oasen für die Seele brauchen sowohl die Kirche als auch die Welt, damit sie leben und atmen können.

 

   III. In Christus, liebe Brüder und Schwestern! Sagen wir Gott für die Gründerin und die Mitgliedschaft vom Orden der Schwestern des Göttlichen Erlösers Dank. Für Lebendige und Tote. Und wir beten dafür, dass sie auch heute lebendige ZEICHEN sein können, in der Kirche des 21. Jahrhunderts. Ich möchte es mit den Worten von René Grousset schließen:

   «Der grausamen Leere gegenüber tritt nun das Christentum als Schutz des Geistes auf. Und beim Schiffsbruch, – wo alles hoffnungslos wäre, wenn das Christentum nicht gegenwärtig wäre -, ist seine Sendung noch mehr heilbringend als je zuvor. Sei gelobt, Heiliges Kreuz, unsere einzige Hoffnung! » (René Grousset, Zitat von F. Szabó i. m. S. 226-227).  Amen.