Pflichten gegen Gott und den Nächsten
Die Dienerin Gottes strebte auf heroische Weise darnach, sich um die Ehre Gottes zu sorgen. Sehr früh verstand sie, durch eine ganz besondere Gnade, die Rechte des Schöpfers seinen Geschöpfen gegenüber, und dass man Gott alles zurückgeben muss. Von da an richtet sie ihr ganzes Leben lang alle ihre Gedanken, alle ihre Worte und alle Taten auf dieses einzige Ziel.
Das Gespür für die Verehrung, die Gott zu erweisen ist, wurde deutlich sichtbar in der Art, wie sie betete, in ihrem Gesammeltsein, ihrer demütigen Haltung, in der Abtötung, die sie sich bei allen Gelegenheiten auferlegte, damit ihre Haltung der Gegenwart Gottes besser würdig ist, eine Haltung, die alle beeindruckte, die mit ihr in Kontakt kamen und die sie zu Gott führte.
Die Dienerin Gottes hatte großen Eifer für die Heiligung des Sonntags und litt derart, als sie sah, wie sich vor allem die Jugend in einer für die Seele sehr gefährlichen Art unterhielt, dass sie Pfarrer Reichard dringend bat, am Sonntagabend das Beten des Rosenkranzes zu gestatten. Sie ging in alle Häuser der Pfarrei, um die Leute dafür zu gewinnen, zur vereinbarten Zeit in die Kirche zu kommen. Sie war gewohnt, die Altäre zu schmücken, auch wenn sie noch so müde war.
Sie ehrte Maria mit sehr beachtlicher Andacht. Sie hatte absolutes Vertrauen auf die Macht ihrer Fürbitte und rief sie bei allen Gelegenheiten an; sie feierte ihre Festtage mit größter Frömmigkeit – sie weihte ihre Kongregation dem Unbefleckten Herzen Marias. Sie widmete ihr den Altar des Ersten Klosters und ließ auf seine Türen schreiben: „O Maria, ohne Sünde empfangen.“ Sie gab ihren Töchtern den Rosenkranz als erste Regel. Sie empfahl ihnen, sich in allen Lagen an Maria zu wenden und besonders, wenn sie die Bekehrung von Sündern zu erwirken hatten. Sie sprach von Maria so, dass sie ihre solide und tiefe Verehrung und ein vollständiges Vertrauen förderte.
Mutter Alfons Maria verehrte auch ihre heiligen Patrone innig: die heilige Theresia und den heiligen Alfons von Liguori. Sie wollte die heilige Theresia in ihrer Gottesliebe und ihrer Geduld im Leiden nachahmen. Der heilige Alfons regte sie an zu der konkreten Form ihres Instituts, das sich den Ärmsten und Verlassensten widmen sollte. Den heiligen Josef wählte sie zum ersten Beschützer und von da an vertraute sie sich ihm an in allem, was sie brauchte; man schrieb ihm alle außergewöhnliche Hilfe zu, die der entstehenden Kongregation zuteil wurde. Seine Verehrung für den, der für alles sorgt, und ihr Beschützer ist, bleibt im Institut immer hoch in Ehren. Die Dienerin Gottes verehrte auch ihren Schutzengel sehr. In der ersten Ordnung für das Noviziat wurde gesagt: „Der erste Gedanke der Schwestern soll sein, sich ganz unserem Herrn hinzugeben, die heilige Jungfrau, ihre heiligen Patrone und ihre Schutzengel anzurufen.“
Sie erwies dem Heiligen Vater Pius IX. Zeichen der Verehrung, kindlicher Frömmigkeit und absoluter Hingabe, die zu sehen sind in ihren Worten, in den innigen und beständigen Gebeten, die sie anlässlich der Prüfungen der heiligen Kirche in der Person ihres Oberhauptes an den Himmel richtete, in den Leiden, die sie freudig annahm, um vom Himmel Hilfe für den verfolgten Pontifex zu erlangen. Sie bekannte sich zu vollständigem Gehorsam gegen das oberste Lehramt. Pfarrer Reichard bezeugt: „Den vollkommenen Gehorsam, den sie mit so großer Treue übte, empfahl sie den Kindern ihren Eltern gegenüber, den Pfarrangehörigen gegen ihren Pfarrer, den Priestern gegen ihre Bischöfe, allen der katholischen, apostolischen, römischen Kirche gegenüber.“ Sehnlichst wünschte sie die Anerkennung der Statuten durch den Heiligen Vater. „O, wie sehr sehne ich mich und wünsche ich die Approbation unserer Statuten durch den Heiligen Stuhl! Möge Gott doch alle Hindernisse beseitigen und uns diese Gnade erwirken!“ Sie zeigte unvergleichliche Freude, als diese Anerkennung gewährt wurde.
Die Dienerin Gottes war sich völlig all dessen bewusst, was sie ihren Eltern verdankte, vor allem, dass sie ihr den katholischen Glauben mitgegeben, sie in den Wahrheiten der Religion unterrichtet und ihr das Beispiel eines ehrlichen, tief christlichen Lebens gegeben haben. Sie erwies ihnen ihre Dankbarkeit durch vollkommene Unterordnung in allem, was nicht gegen die Weisung Gottes ist. Sie gehorchte ihnen, indem sie sich in der Früh zur Arbeit begab, nach ihrem Befehl, und obwohl sie sich mächtig zur Teilnahme an der heiligen Messe gezogen fühlte. Wenn sie krank war, litt sie daran, dass sie nicht ihren Teil an Arbeit und Diensten für ihre Familie leisten konnte. Sie nahm sich um ihre Eltern an, soweit es die Regel ihres Institutes erlaubte. Nach dem Tod ihres Vaters bot sie sich an, zu erleiden, was Gott wollte, um ihn vom Fegefeuer zu befreien.
Die Dienerin Gottes erfüllte ihre Pflichten der Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person. Sie wollte dass ihr Werk vor allem im Dienst der Armen stand, aber sie vernachlässigte die Reichen nicht, die auch ihre Nöte haben. Sie empfing jeden Besucher mit gleicher Liebenswürdigkeit, niemand wurde abgewiesen.
Zu ihren Töchtern sagte sie: „Reich oder arm, ihr seid mir alle gleich lieb. Ich schaue nur auf eure Berufung, auf eure Treue, mit der ihr auf die göttlichen Gnaden antwortet. Bedürftigkeit oder Schätze, das will ich nicht bewerten, durch Gottes Gnade… schätze ich von den Kindern, die mir der Herr gibt, weder die eine noch die andere mehr…“ Sie schaut nicht auf Rasse noch auf die Nation: „Es ist zu beachten, dass der Ordensgeist der Geist Jesu Christi ist, dass dieser Geist gleich ist für alle Völker, dass er mit dem Charakter und den Gewohnheiten aller Nationen in Einklang sein kann. Die Pflege, mit der sich die Schwestern den Kranken widmen, ist für die leidende Menschheit in allen Ländern gleich.“
Sie war immer freigiebig und großzügig. Sie gestattet nicht, dass die Schwestern irgendeine Vergütung für ihre Pflege verlangen. Sie fordert keine Mitgift von den Postulantinnen, sie nimmt nur das an, was angeboten wird. Die Schwestern nehmen die verlassenen armen Kranken in ihre Wohnung auf. Den Arbeitern lässt sie eine zusätzliche Ration austeilen. Sie bringt oder lässt Bettzeug und Wäsche bringen, wenn die Kranken das nicht haben. Sie verteilt Essen an die Armen, obwohl sie keine Vorräte hat.
Die Dienerin Gottes war zu allen liebenswürdig, selbst wenn sie stärkste Leiden empfand. Pfarrer Reichard bezeugt: „Sie ist freundlich trotz ihrer Leiden.“ „Mutter Alfons Maria leidet, ihre Güte ist die gleiche, die gleiche Liebenswürdigkeit.“ „Die frohe Miene im Gesicht der Oberin sieht man stets auch bei ihren Töchtern.“ Sie zeigt ihre Dankbarkeit für jeden erwiesenen Dienst.
Bei ihren Worten und Taten hat sie stets sehr auf Wahrheit und der Aufrichtigkeit geachtet. Sie ist ehrlich und offen gegen ihren Seelenführer und verbirgt nichts vor ihm, auch wenn es ihr äußerst unangenehm war, alles sagen zu müssen. Sie macht das Gelübde, alles vor ihm offen zu legen. Sie betete unablässig um diese Aufrichtigkeit des Gewissens: „Gib mir die Gnade, mich zu erkennen und die Hindernisse zu sehen, die ich dem Wirken deiner Gnade in meiner Seele entgegenstelle. Zeige mir diese Hindernisse so, dass ich sie meinem Beichtvater eröffnen kann. Dann hilf mir, durch die Vermittlung meines Beichtvaters, damit ich diese Hindernisse wegräumen kann.“ Sie war wahrhaft den Menschen gegenüber, die zu ihr kamen, um ihren Rat zu erbitten, und denen sie unter der Eingebung der Gnade ihre Laster, ihre Abgründe, ihre Fehler zeigen musste. Was immer es ihr auch kosten mochte, in nichts verschleierte sie die Wahrheit, und sie sagte alles mit größter Liebe. Zahlreiche Bekehrungen folgten auf diese Offenlegungen. Sie war wahrhaftig zu ihren Töchtern, sie korrigierte ihre Fehler, ohne deren Bedeutung zu mindern. Sie wollte sie mit einem Willen, den man heroisch nennen kann, den Wegen der Wahrheit gemäß bilden, was es ihr auch immer kosten konnte.